RC-Seggerling_1

Baubericht RC-Seggerling GER 1

Den Bau von Seggerlingen in Originalgröße überlasse ich lieber Könnern wie Achim oder Ekki, aber nachdem ferngesteuerte Modellboote in den letzten Jahren zu meinem Winterhobby geworden ist, lag der Gedanke nah, parallel zur Erstellung meines neuen Seggerlings in Breitenthal eine RC-Version zu bauen. Zusätzlich motiviert durch eine erfreulich positive Resonanz der Seggerling-Gemeinde machte ich mich im November 2023 ans Werk.

Einzige Basis für den Bau war die Anleitung für den Original-Seggerling von Jüs. Wie dort empfohlen, erstellte ich zunächst ein Pappmodell, um das Prinzip der Rumpfkonstruktion besser zu verstehen und den Maßstab festzulegen. Schnell war klar, dass meine ursprüngliche Idee vom Maßstab 1:10 für ein ferngesteuertes Modell zu klein ist. So entschied ich mich für Maßstab 1:8. Das ist für die RC-Komponenten immer noch recht beengt, ergibt aber in Sachen Bau und Transport eine gut handhabbare Modellgröße.
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Nun ging es ans eigentliche Modell. Für Rumpf und Deck wählte ich 0,8 mm starkes Birkensperrholz, das man in Platten der Größe 60x30 cm kaufen und somit den gesamten Rumpf aus einem Stück ausschneiden kann. Für die Spanten kam 3 mm dickes Flugzeugsperrholz zum Einsatz.
Die Rumpfplanken wurde miteinander sowie mit Wantenspant (SW), Spiegel (aus Stabilitätsgründen ebenfalls aus 3 mm Sperrholz) und Stevenholz verklebt, statt „stitch and glue“ also nur „glue“, wobei die Plankenstöße innen mit Stringern aus 2x2 mm Kiefernleiste unterfüttert wurden.

Wie beim Original verstärkte ich die Stoßkanten der Planken sowie die Verbindungen von Rumpf und Spanten mit einlaminierten leichten Glasfasermatten (50g/qm) und versiegelte die gesamte Rumpfschale mit Ausnahme des Cockpitbodens innen mit Epoxy. Es folgte der Einbau der restlichen Spanten, des Decksbalkens sowie der Cockpitwände.


Nun stand schon die Einpassung der RC-Anlage an. Ich wählte für die Ansteuerung von Segel und Ruder Micro-Servos mit einer Stellkraft von 4 kg bzw. 2 kg. Der Segelservo erhielt einen Arm aus Plexiglas und passt damit gerade so unter die Spanten des Vordecks. Der Ruderservo wurde liegend rechts unter dem Flautensitz platziert. Hinzu kamen dann noch der Empfänger samt Akku aus vier NiMH-Zellen der Größe AAA. Zur späteren Fixierung von Segelservo und Akku klebte ich Halterungen aus Balsa- bzw. Sperrholz ein und baute außerdem eine Führungsöse für die Großschot. Der erste Trockentest der RC-Komponenten zur Lösung des „Problems zwischen Pinne und Schot“ wirkte überzeugend.
Die RC-Anlage wurde dann wieder ausgebaut und es ging weiter mit der Konstruktion des Schwertkastens. Um das Modell auch als Standmodell nutzen zu können, erhielt der Schwertkasten eine maßstabsgerechte Größe und wurde vor dem Zusammenbau innen lackiert und mit einem Loch zur späteren Fixierung des Kiels versehen. Vor dem Einbau erhielt der Rumpf innen eine Kielleiste aus 4x2 mm Kiefer, die im Bereich des Schwertkasten geteilt wurde. Dort wurde dann der Rumpf vorsichtig aufgefeilt.

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Anders als beim originalen Seggerling benötigt das RC-Modell eine große Öffnung zum Vordeck für den Einbau der RC-Anlage. Ich hatte daher den Spant zum Cockpit (SK) von vornherein mit großen Öffnungen versehen. Davor platzierte ich eine Spantenattrappe aus 0,8 mm Sperrholz, die verbunden mit dem Flautensitz aus Sperrholz und Balsa eine Deckeleinheit bildete. Das Ganze war mangels jeglicher Vorlage und wegen diverser Schrägen nicht unkomplex. Ich fertigte daher zur Sicherung der Passgenauigkeit von allen Teilen vorher Pappschablonen an. Rechts unterhalb des Flautensitzes baute ich zur wasserdichten Kapselung des Servos noch ein zusätzliches Schott ein, das eine Öffnung für die Ruderanlenkung erhielt.

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Dann stand schon die Hochzeit von Rumpf und Deck an, welches ich zum besseren Verkleben (mit 5 min Epoxy) in drei Teile geschnitten hatte. Vor dem Aufkleben des Decks erhielt der Rumpf eine Umrandung aus 3x2 mm Kieferleisten und die Cockpitspanten wurden leicht unterfüttert, um wie beim Original etwas abgerundete Seitendecks zu ermöglichen. Mit fertig verschliffenem Rumpf und Deck sah das Ganze nun langsam wie ein echter Seggerling aus.

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Eine kleine Herausforderung war dann noch der Einbau des Wellenbrechers aus 3 mm Sperrholz, der um zwei Achsen gekippt an das leicht gerundete Deck angepasst werden musste. Nach ein paar schweißtreibenden Stunden und intensivem Einsatz von Schleifpapier war aber auch das geschafft. Der Wellenbrecher ist bewußt etwas höher als beim Original, damit möglichst wenig Wasser in das nicht lenzbare Cockpit gelangt. Es folgten noch zwei Cockpitstringer und eine Scheuerleiste aus 2x2 mm Kiefer sowie die Seggerling-typischen Ausreitflügelchen aus jeweils zwei 3x2 mm Kieferleisten. Schließlich wurde das gesamte Deck sowie der hintere Teil des Rumpfs in hellem Mahagonyfarbton gebeizt. Rumpf, Deck und Cockpit wurden daraufhin viermal mit klarem Bootslack gestrichen. Vorderer und unterer Rumpfteil bekamen nach einer Grundierung eine Lackierung in kräftigem Enzianblau, die seitlich in Streifen ins klar lackierte Holz übergeht. Dieses Design ist im Seggerling-Bereich ein Novum und dient auch als Test und Vorlage für den neuen großen Bruder.

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Nach kompletter Lackierung konnten nun die ersten Gewichtstests auf der Waage sowie in der Badewanne stattfinden. Der Rumpf kam auf rd. 250 g ohne und 350 g mit Fernsteueranlage. Zusammen mit einem Bleigewicht von 370 g zur Simulation des Kiels ergab sich eine passable Wasserlinie, die in etwa derjenigen eines originalen Seggerlings samt Besatzung entspricht.

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bild20Nun fehlte dem Rumpf nur noch der Mastfuß mit Umlenkung der Trimmleinen, den ich aus einem Holzkeil und einem PVC-Profil samt Ringen aus einem Halskettenbastelset herstellte.

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Der fertige Rumpf durfte dann als drittes Kind mit in den Winterurlaub und bei einem Abstecher nach Breitenthal kam es zur ersten Begegnung von Modell und Original.

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Wieder zurück in Frankfurt machte ich mich dann an die Anbauteile wie Ruderanlage, Großschotführung und Klemmenbasis für die Trimmleinen. Die Ruderanlage erhielt ein Scharnier aus dem Puppenhauszubehör sowie eine Anlenkung über eine lackierte Metallstange und einen selbstgebauten Messingwinkel

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Nun fehlte noch das Segel samt Rigg. Nahezu alle Materialen hierfür bestellte ich nach einem sehr informativen und freundlichen Telefonat beim Fachgeschäft für Lenkdrachen „Metropolis Drachen“. Der Mast entstand aus einem konisch verjüngten Karbonrohr der Marke „Skyshark“ mit der Stärke PT2. Für den Baum nahm ich ein zylindrisches CFK-Rohr mit 6 mm Außen- und 4 mm Innendurchmesser. Nach Kürzung auf die maßstabsgerechten Längen fertigte ich aus Holzgriffen alter Pinsel die Endkappen für Masttopp und Baumnock sowie einen Mastfußbeschlag zur drehbaren Lagerung, denn natürlich sollte der RC-Seggerling wie die meisten Originale einen Drehmast bekommen. Mast und Baum erhielten eine feste Verbindung über eine sog. Conflex Muffe aus dem Drachenbau. Als Schnittmuster fürs Segel diente die hochskalierte Vorlage aus der Bauanleitung von Jüs, wobei das Vorliek an der Mastbiegekurve des Karbonrohrs ausgerichtet wurde. Als Segelstoff wählte ich das leichteste Spinnackertuch aus dem Metropolis-Sortiment, nämlich „Skytex 27“ mit nur 27 g/qm. Die Bearbeitung des filigranen Materials erfordert im wahrsten Sinne sehr viel Fingerspitzengefühl und wäre mir ohne die tatkräftige Unterstützung meiner Tochter und deren Nähmaschine kaum gelungen. Das fertig vernähte und gesäumte Segel erhielt dann noch Taschen für die charakteristischen sechs durchgehenden Segellatten, die ich aus einer alten Kunststoffmappe ausgeschnitten hatte, sowie drei selbstgepresste Ösen an Kopf, Hals und Schothorn.

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Komplettiert wurde das Rigg dann durch Wanten und Vorstag aus 0,8 mm starkem schwarzem Dyneema, farbigen Trimmleinen aus 0,95 mm Dyneema, einer Großschot aus 0,8 mm Polyesterschnur und dem typischen Bullenstander aus Gummiband. Sämtliche Wanten, Trimmleinen und die Schot wurden mit Minikarabinern aus dem Halskettenbastelset versehen, um eine schnelle Demontage des gesamten Riggs für den Transport zu ermöglichen.
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Damit stand schon die Erstellung des letzten Bauteils an, nämlich des Kiels. Dieser entstand aus einer 2 mm starken, 3 cm breiten und 30 cm langen Aluleiste als Schwert und einer 370 g Bleibombe, die es als günstiges Ersatzteil für die erste Generation der „Micro Magic“ RC-Segelyacht von Graupner gibt. Die Aluleiste wurde mit Feile und Schleifpapier leicht profiliert und zur Einpassung in den Schwertkasten mit einer Art Muffe aus 0,8 mm Sperrholz versehen. Der etwas grob gegossene Bleiballast wurde behutsam in Form geschliffen, mit einer Schicht Epoxy ummantelt und ans Schwert geklebt. Das Ganze wurde abschließend nach Grundierung in Enzianblau lackiert. Das Schwert wird mit einer 2 mm Schraube im Schwertkasten (oberhalb der Wasserlinie !) gehalten und lässt sich für den späteren Feintrimm um ein paar Millimeter nach vorn und hinten kippen. Ich wählte bewusst eine Ausrichtung nach Achtern, um beim Längstrimm das Gewicht der RC-Komponenten im vorderen Bootsteil auszugleichen und der Tendenz zur Luvgierigkeit bei der unvermeidlichen Krängung am Wind entgegenzuwirken. Die allermeisten RC-Segelboote haben sehr schlanke Rumpfformen nach dem Vorbild von Kielyachten, die auch bei starker Krängung noch gut laufen und steuerbar sind. Jollenrümpfe sind hier sehr viel empfindlicher, verlieren bei Krängung spürbar an Geschwindigkeit und laufen schnell aus dem Ruder. Es ist daher wohl kein Zufall, dass es fast keine RC-Boote im Jollensegment gibt, mit Ausnahme des RC-Lasers. Doch wie beim Original gilt: Was ein Laser kann, kann ein Seggerling allemal. Ich hoffe also, dass sich der RC-Seggerling durch die Kombination aus Positionierung und Gewicht des Kiels auch bei frischerem Wind gut segeln lässt. Doch dies wird erst die Jungfernfahrt im Frühling zeigen.
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Es folgten nur noch letzte kleine Details wie Ausreitgurte und ein stabverleimtes Stechpaddel aus teilweise gebeizten 2x2 mm Kieferleisten. Dann wurden die gesamten RC-Komponenten wieder eingebaut und der fertige kleine Seggerling „Rennholz“ konnte auf seinem neuen Klappständer Platz nehmen.

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Und hier das fertige Boot
bild36©Frankfurt am Main, Februar 2024 Marc Engelhardt

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